Global – Lokal / Do the winners take it all ?

Hannes Egger, Art News, 2020/21

Das Projekt „Global – Lokal / Do the winners take it all ?“ thematisiert die Mechanismen und die Bedeutung des globalen Kunstmarktes und deren Folgen für Künstler*innen und Kunstwelt auf lokaler und internationaler Ebene. Die Ausstellung zeigt in drei Modulen mit insgesamt neun internationalen Künstler*innen neun Positionen, die das Thema „Global‒Lokal‒Kunst“ medial und inhaltlich unterschiedlich umsetzen. Beim digitalen Symposium hinterfragen vier ausgewiesene Kenner des Kunstbetriebs die globalen Bewertungs- und damit Macht- und Marktmechanismen kritisch und suchen nach Antworten.

Ausstellung

Hannes Egger, Art News, 2020/21

Modul 1 | Start: 12.03. (Vernissage) ‒ 10.05.2021 (Finissage)

In unserer „weiten“ Welt hat sich die Filmemacherin Eva Könnemann (*1973, lebt in Berlin) auf die Suche nach dem Ort begeben, der sich jedem Vergleich und Wettbewerb entzieht: Im digitalen Netz ist das Dorf Emmelsum, Nordrhein-Westphalen, mit seinen 300 Einwohnern als „nichts Besonderes“ aufgeführt. Könnemann reist mit ihrer Kamera dorthin, setzt sich auf eine Bank und beobachtet überwiegend von dort aus das beschauliche Dorfgeschehen und hält es in langsamen Bildern und mit sparsam-philosophischen Kommentaren fest: Ein „Film über das Nichts ist immer eine Suche nach etwas“ ‒ und am Ende durch Zufall ein Neuanfang, der Beginn einer neuen Erzählung.

Die junge Künstlerin Linda Jasmin Mayer (*1986 Meran) umspannt mit ähnlichen filmischen Mitteln „Die Welt“. Ihr Video baut auf die kraftvollen Bilder der Natur und setzt in die poetischen Stimmungsbilder Symbolisches: Ein Mensch mit einer Schneeeulen-Maske durchwandert eine weiße Gebirgslandschaft, rudert durch dichten Nebel entlang eines Seeufers, durchstreift einen lichten Sommerwald. Vogelgezwitscher, plätschernde Ruderschläge, und die Atemzügen eines Wesens, das als Vogelmensch die Welt durchmisst, die sich als ewiges Mysterium jeder Kategorie zu entziehen vermag.

Das großformatige Ölgemälde der Malerin Verena Landau (*1965, lebt in Leipzig) spielt mit Schein und Sein, dem imaginierten Sehnsuchtsort und dem realen Raum. Im Zyklus „Venice_in_Sight“ trifft das Banale auf den Mythos einer historischen Kunststadt; der Ausblick einer Gruppe vermutlich kulturinteressierter Tourist*innen wird in „Giardini di Settembre“ von einem Kreuzschiff-Giganten vollständig verdeckt ‒ als Verweis auf den Fehler eines sich selbst erhaltenden Systems im Kreislauf kapitaler Interessen: Der Ozeanriese verdeckt jenen, die er an Land spuckt, egal in welchem Hafen auf der Weltkarte, den Ausblick auf den weiten Horizont.

Als Philosoph und Konzeptkünstler taucht Hannes Egger (*1981 Bozen) auf seine Weise in den Strudel des Kulturkarussells ein, witzig, sarkastisch und hoch politisch. Eine Wartezimmer-Box zum Nummernziehen, eine leuchtende Nummernanzeige, ein Mikro und eine Reihe von Statements und „News“ zum Kunstgeschehen ‒ coronakonform treten Ausstellungsbesucher als Akteure in den Kunstprozess ein. Wer eine Nummer zieht und aufgerufen wird, liest einen kurzen Text vor: „Bei der Spielshow „Glücksrad“ dürfen nur mehr Künstlerinnen und Künstler mitmachen. Damit versucht die Bundesrepublik Deutschland Sozialausgaben einzusparen.“; oder den: „Gerhard Richter erklärt verärgert, dass die meisten ihm zugesprochenen Bilder gar nicht von ihm sind.“

Hannes Egger, Art News, 2020/21

Modul 2 | Start: 14.05. (Vernissage) ‒ 15.07.2021 (Finissage)

Das Glücksrad dreht sich besonders schnell in Pandemiezeiten, und wohl dem, der als Gewinner aus der Show hervorgeht. Ist der Marktwert Glücksache (Egger)? Ist der Standort auch gleich Standpunkt (Landau)? Ist „die Welt“ konkret und/oder reines Mysterium (Mayer)? Welches Narrativ liegt in der kontemplativen Beschaulichkeit eines großen „Nichts“ (Könnemann)?

Das Fragen geht weiter mit der österreichischen Konzeptkünstlerin Maria Anwander (*1980, lebt in Berlin), die sich intensiv mit Institutionskritik auseinandersetzt ‒ mit großartigem Humor ‒ und einem Kuss. Sie küsst nicht irgendwen oder irgendwas, nein, sie küsst die Außenwand des Museum of Modern Art in New York. Weil ihre Arbeiten ins Museum (noch) nicht Eingang gefunden haben, markiert sie die geküsste Stelle mit einem Schild mit Werkbeschreibung und Urheberschaft: Eine Schenkung ans Museum von der Künstlerin persönlich.

Ausgesprochen witzig sind einige Ausschnitte der Videoaufzeichnungen von Thomas Sterna (*1958, lebt in Meran und Aschaffenburg). In seinem durch slappstickartige Sequenzen aufgelockerten „Art-Talk“ mimt der Konzept- und Videokünstler sowohl den Moderator als auch den befragten Künstler selbst. Klassische Interview-Situation: Zwei Stühle, zwei Gläser Wasser ‒ und je nach Rolle die Haltung ändernd, wird ein Diskurs über Kunst geführt, der im aktuellen Kunstgeschehen kaum noch Raum findet. Statt dessen: Kunst als Luxus und teures Statussymbol, denn was „gut“ ist ist auch teuer, so scheint es. „Das finde ich ist ein Problem!“

Modul 3 | Start: 03.09. (Vernissage) ‒ 24.09.2021 (Finissage)

Das dritte Modul geht weiter mit Thomas Weinberger und Benjamin Zuber, „KEIN PLATZ FÜR SIEGER“ (Installation) und weiteren Künstler*innen (Ankündigung folgt)

Hannes Egger, Art News, 2020/21

Die Ausstellung „Global – Lokal / Do the winners take it all ?“ findet in der Frankfurter Galerie „Der Mixer“ statt. Ein Galeriebesuch ist derzeit nach telefonischer Vereinbarung möglich. Die Vernissagen und Finissagen beginnen jeweils um 18 Uhr.

Symposium

Das digitale Symposium am 26.04.2021, 19:30‒21:30 Uhr, findet im Rahmen des ersten Ausstellungs-Moduls (bis 10.05.) statt. Die Gäste:

Stefan Heidenreich, Autor, Medienwissenschaftler (Köln und Basel) und Politikberater, arbeitet derzeit an der Umsetzung demokratischer Verfahren für die Kunst.

Statement: Lokal‒Global? Global ist eine Chance! Und die Frage „Do the Winners take it all?“ kann in die falsche Richtung führen, in eine Neiddebatte, die letztlich nichts ändert. Es geht darum, neben Expertentum (und -kult) sowie einer „Sammler-Oligarchie“ ein Korrektiv zu setzen und zu etablieren: das Kunst-Publikum als drittes Standbein bei der Bewertung von Kunst.

Prof. Dr. Hans Dieter Huber, Künstler, Filmemacher, Wissenschaftler (HGB Leipzig, HfG Karlsruhe, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart).

Statement: Nur einer kann Star sein. Die vielen anderen Künstler werden ignoriert und sogar aktiv vom Kunstmarkt und Starbetrieb ferngehalten. Während der historische Kern unserer Kunst stabil bleibt, erfindet sich die zeitgenössische, auf medialem Erfolg beruhende Kunst ständig neu ‒ „die Ökonomie des Kunstsystems (…) kann man mit der Börse vergleichen“.

Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Kunstwissenschaftler und freier Autor in Leipzig, forscht und publiziert zum Kunstbegriff, zu bildsoziologischen und konsumkritischen Themen.

Statement: „Obwohl es rein zahlenmäßig nur relativ wenige Siegerkünstler gibt, besteht die Tendenz, den gesamten Kunstbetrieb auf sie zu reduzieren.“ Ein „Künstler“ ist heute mindestens prominent und wird durch Social Media dank zahlreicher Follower schnell zum Star, unter Umständen sogar zur Marke ‒ und damit zum lukrativen Geschäft.

Prof. Dr. Nina Tessa Zahner, Soziologin, erst tätig in der Industrie, forscht seit 2006 an der Universität Leipzig, seit 2017 an der Kunstakademie Düsseldorf.

Statement: Die „zutiefst bürgerliche Idee der Autonomie der Kunst“ tritt als Gegensatz zu ihrer Ökonomisierung auf. Dabei ist die entscheidende Frage: Wem nützt die Autonomie und wem der Markt? Für den Werterhalt werden wenige Werke von Interessensgruppen als Kunst legitimiert. Doch wie passt ein derart reduzierter Kunstbegriff in unsere ausdifferenzierten Gesellschaften?

Moderation: Dorothee Baer-Bogenschütz, Kunstjournalistin und Autorin, Redakteurin KUNSTZEITUNG und Informationsdienst KUNST.

Das Symposium

> ab 19 Uhr erreichbar über folgenden Link: https://us02web.zoom.us/j/89034843790