Weltweit boomen Museen. Immer wieder kommt es zu Neugründungen, Erweiterungen und spektakulären Ankäufen. Damit hat sich auch die Rolle der Museen verändert. Ursprünglich stand das Sammeln im Vordergrund, heute verlagert sich die Aufmerksamkeit zusehends auf das Ausstellen. Museen sind nicht mehr ausschließlich Orte, um materielle und immaterielle Kulturgüter zu beschaffen, bewahren, erforschen, auszustellen und zu vermitteln; sie dienen auch als Freizeitmaschine, Standortmarketing oder Werbeplattform, sind Ausdruck für bildungsbürgerlichen Wohlstand. All dies vollzieht sich vor der Folie einer fortschreitenden Ökonomisierung und Digitalisierung. Ist das Musée imaginaire somit am Ende? oder erst an seinem (virtuellen) Anfang? Müssen altehrwürdige Institutionen neue Wege beschreiten, neue Medien erschließen, um nicht unterzugehen? Es ist eine Gratwanderung, eingeklemmt zwischen dem Ruf nach Entertainment und dem eigenen Anspruch wissenschaftlicher Stringenz.
Ihre kulturpolitische Stellung und soziokulturelle Aufgabe machen Museen als Wahrer und Vermittler von Kultur in Zeiten der Identitätskrise auch zum Spielball der Politik. So polemisiert etwa Kunstkritiker und TV-Rüpel Vittorio Sgarbi immer wieder gegen die Ernennung ausländischer Museumsdirektoren in Italien. Egon Schiele wird in puritanischem Furor zensiert. Und dem Direktor des Turiner Museo Egizio, Cristiano Greco, wurde von der Spitzenkandidatin einer rechtspopulistischen Kleinpartei die Absetzung in Aussicht gestellt, nachdem das Museum als Werbeaktion arabischen und maghrebinischen Besuchern reduzierte Eintrittspreise gewährt hatte. Greco sah sich zu einer umfassenden Erklärung genötigt, machte jedoch keinen Rückzieher vor den Possen der Politik.
Die Kulturelemente #138 mit dem Titel Museum: Vermittlung und Sinn versammelt unterschiedliche Zugänge zur Thematik und machen mit dem Artikel vom Philosophen Richard Steurer-Boulard, welcher das Museum als geschichtliche Bedingung der Kunst kritisch untersucht, auf. Zukunftsweisende Theorien zum Museum im Zeitalter der postdigitalen Wende erörtert Redaktionsmitglied und Künstler Hannes Egger, der Museologe und Kurator Leonardo Regano skizziert anhand des Museo di Ustica in Bologna die Gedächtnisfunktion von Museen, auf das unterdrückte Potential des offenen Data Cube im Ausstellungsbereich verweist die Kunsthistorikerin Martina Genetti, Verena Malfertheiner hingegen fordert mehr Kreativität in der Museumsvermittlung für Erwachsene ein, Thina Adams und Markus Pescoller vom Stadtmuseum Bruneck sprechen über die Hintergründe der neuen Ausstellung Wege ins Museum und der Künstler Josef Rainer illustriert in Text und Bild den Raub der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien.
Die Galerie in der Heftmitte ist dem Fotografen Werner Gasser gewidmet, welcher mit dem Projekt AFAE (lat. Staub) die Jugendstilvilla Freischütz in Meran dokumentiert, wo demnächst die Navarini-Ugarte-Stiftung ein Museum einrichten will. Der außerordentlichen Soziale-Medien-Kampagne der Turiner Fondazione Sandretto Re Rebaudengo ist die Fotostrecke der Kulturelemente gewidemet, die von Hannes Egger mehrfach in seinem Artikel zitiert wird.
Neu ist darüber hinaus die Rubrik Savannen der Südtiroler Autor_innen-Vereinigung auf, die dieses Mal einen Text von Barbara Zelger präsentiert. Weitere geplante Neuerungen folgen in den nächsten Ausgaben.